SCHWELLEN

Interface als Raum und Übergang

„Zum ersten ist da ein Nutzer oder sozialer Agent, der eine Handlung effektiv realisieren will. Zum zweiten ist da eine Aufgabe, die er bewältigen will [...] Zum dritten ist da ein Werkzeug oder Artefakt, das der Handelnde zur effektiven Ausführung der Handlung benötigt [...] Hier stellt sich die Frage, wie diese drei heterogenen Bereiche miteinander gekoppelt werden können - ein Körper, ein Handlungsziel, ein Instrument oder Artefakt beziehungsweise eine Information beim kommunikativen Handeln. Die Verknüpfungen dieser drei Bereiche geschieht durch Interface. Dabei ist zu bedenken, dass Interface nicht eine Sache ist, sondern der Raum, indem die Interaktion zwischen Körper, Werkzeug (Artefakt, sowohl dingliches wie zeichengebundenes Artefakt) und Handlungsziel gegliedert wird.“

Gui Bonsiepe: Das Interface im Design-Dreieck in Hochparterre : Zeitschrift für Architektur und Design, Band 7 (1994)

Die Benutzeroberfläche, das Interface, das Bonsiepe als Raum beschreibt, nehme ich zudem als Schwelle war. Diese Schwelle löst einen Prozess aus, in dem User, Aufgabe und Werkzeug beteiligt sind. Auch Galloway beschreibt das Interface als Prozess und Schwelle, als geheimnisvolle Interaktionszonen, die zwischen verschiedenen Realitäten vermitteln. Interfaces sind bei Galloway nicht einfach Objekte oder Randpunkte. Sie sind autonome Aktivitätszonen. Interfaces sind also keine Dinge, sondern Prozesse, die ein Ergebnis jeglicher Art beeinflussen. 022012
vgl. Alexander R. Galloway: The Interface Effect
Hookway beschreibt das Interface als Begegnungszone zwischen Entitäten, das einem ständigen Wechsel von aktiven und passiven Zuständen unterliegt. Das Interface entsteht dann zwischen mindestens zwei Dingen oder Personen, wenn sie in Verbindung treten. In der Beziehung, fügt das Interface die Aktionen und Reaktionen der einzelnen Entitäten zusammen und lässt einen Gesamtakt entstehen. 032014
vgl. Branden Hookway: Interface

Es ist demzufolge weit mehr als eine Oberfläche. Das Interface kann von der Oberfläche dadurch unterschieden werden, dass es sich nicht in erster Linie auf etwas bezieht, sondern eher auf ein Verhältnis zwischen Entitäten oder auf einen Zustand, der durch eine Beziehung erzeugt wird.

Das Interface ist deshalb nicht ohne den Menschen zu denken, es existiert eine Wirkung von und nach außen. Das Interface vermittelt, stellt den Prozess zwischen Person und Technologie dar und spiegelt somit auch immer den Menschen wieder. Dieser Prozess und damit das Interface als Begegnungszone sind in stetiger Veränderung. Es zeigt die Beziehungen (wie z.B. die des Menschen und der Technologie) und schafft eine Verbindungselement, die Schwelle.

„The prefix inter- connotes relations that take pace within an already bounded field, whether spatial or temporal. It pertains to an inward orientation, an interiority. As an interiority of relations, inter- encompasses relations that may occur between, among, or amid elements insofar as they are given as bounded within the space of their relating, or of events insofar as they are bounded in time. Inter- holds its bounded condition as already given, as a priori to the relations to describes. It does not exclude that which is exterior to it, since it has already been separated out as an interior. This reading of inter- would suggest an interface that does not define its bounding entities but is rather defined by them.“

Branden Hookway: Interface (2014)

In materieller Architektur ist der Raum zwischen Besucher*in, Aufgabe und Werkzeug, diese Schwelle auch zu begreifen. Du betrittst ein Gebäude, einen Raum. „Du bewegst dich in ihm und du ruhst mit ihm. Du setzt dich hin, schliesst die Augen und hörst, welche Geschichten er dir zu erzählen hat. Das alles möchte ich als Benutzeroberfläche der Architektur bezeichnen, die unmittelbar mit dir kommuniziert. Auch wenn im Kern der Mauer ein Heizungsrohr liegt, spürst du seine Wärme durch den Putz an deiner Haut.“ 052011
Gregor Eichinger, Eberhard Tröger: Touch Me! Das Geheimnis der Oberfläche

Durch die Aktivität der Besucher*in, des Users wird die Oberfläche des Objektes zur Benutzeroberfläche. Die Wärme des Heizungsrohres dringt durch das Mauerwerk. Mit dem Prozess des Empfindens durch den/die Besucher*in wird die Wand zum Interface. Dieses beschreibt so nicht nur die internen Prozesse der Wärmeverteilung, sondern definiert zudem die Punkte, die das System (in meinem Verständnis das Dreieck von Bonsiepe: Nutzer*in, Aufgabe, Werkzeug) von der Umgebung, in der es wirkt, abgrenzt. So bildet das Interface einen Raum, an dem der Prozess erfahrbar, erkennbar, evtl. sichtbar oder messbar gemacht wird. 062014
vgl. Branden Hookway: Interface

Im gegenseitigen Dialog, aktiven und passiven Zuständen wird das Interface definiert, definiert aber auch die Grenzen des Raums und unsere Wahrnehmung des Prozesses. Dabei ist es wichtig, den Prozess, die Schwelle in einer Form zu spüren, die Ergebnisse nicht spurlos übermittelt zu bekommen. Mit fortschreitender Technologie darf die Schwelle nicht unsichtbar werden, sondern als solche wahrgenommen werden, denn egal ob als Tür, Fenster, Rahmen verstanden, bietet sie den Übergang zum Dialog, zu neuen Realitäten.

„Frames, windows, doors, and other thresholds are those transparent devices that achieve more the less they do: for every moment of virtuosic immersion and connectivity, for every moment of volumetric delivery, of inopacity, the threshold becomes one notch more invisible, one notch more inoperable. As technology, the more a dioptric device erases the traces of its own functioning (in actually delivering the thing represented beyond), the more it succeeds in its functional mandate; yet this very achievement undercuts the ultimate goal: the more intuitive a device becomes, the more it risks falling out of media altogether, becoming as naturalized as air or as common as dirt.“

Alexander R. Galloway: The Interface Effect (2012)

01 Gui Bonsiepe:

Das Interface im Design-Dreieck in Hochparterre : Zeitschrift für Architektur und Design, Band 7 (1994)

02 Alexander R. Galloway:

The Interface Effect (2012), S.7

03 Branden Hookway:

Interface (2014), S.12

04 Branden Hookway:

Interface (2014), S.7

05 Gregor Eichinger, Eberhard Tröger:

Touch Me! Das Geheimnis der Oberfläche (2011), S.13

06 Branden Hookway:

Interface (2014), S.63

07 Alexander R. Galloway:

The Interface Effect (2012), S.25

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